Der Fachdienst Patenschaften feiert zehnten Geburtstag. Zeit für ein Gespräch mit Leiterin Monika Schreiegg über Erfolge und Herausforderungen und darüber, warum das Miteinander von Pat*in und Patenfamilie gerade in diesen Zeiten so wichtig ist.
Zum Jubiläum haben die Patenschaften den Fachtag „Brücke bauen für eine starke Gesellschaft“ veranstaltet. Wie kam es zu diesem Motto?
Monika Schreiegg: Bei einem Ehrenamt geht es im übergeordneten Sinn darum, sich gesellschaftlich zu engagieren – gelebte Solidarität quasi. In einer Patenschaft steckt noch mehr: Hier entstehen Beziehungen zwischen Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten. Pat*innen sind wie Wahlverwandte, sie erweitern das Familiensystem. Und auch die Ehrenamtlichen können sich ein Leben ohne Patenschaft oft nicht mehr vorstellen. Viele berichten uns, wie viel sie zurückbekommen, wenn sie dabei sind, wie ein Kind groß wird oder die Kleinen schon an der Tür in Jubel ausbrechen, wenn sie zu Besuch kommen. Man stärkt sich gegenseitig ohne viele Worte und das ist positiv für beide Seiten. In einer Zeit, wo bestimmte Personengruppen immer mehr aus der Mitte der Gesellschaft gedrängt werden, sind Patenschaften ein best-practice-Beispiel. Sie zeigen, dass jenseits aller Vereinzelungstendenzen ein Miteinander möglich ist.
Wie sind die Patenschaften beim SkF München e.V. entstanden?
Vor 120 Jahren wurde der Verein von Ehrenamtlichen gegründet, bis heute ergänzen 280 Freiwillige die Arbeit der rund 430 Festangestellten. In unserer Einrichtung Lucia für psychisch erkrankte Mütter sind und waren viele Familien sozial isoliert: Die Mütter haben oft keine langfristigen Beziehungen oder familiären Netzwerke. Für das gesunde Aufwachsen ihrer Kinder ist eine stabile Bezugsperson aber besonders wichtig. So sind die Kinderpatenschaften entstanden. Eine solche zusätzliche Unterstützung durch eine Privatperson hat eine andere Qualität, als wenn eine Fachkraft aus dem beruflichen Kontext heraus eine Familie begleitet. 2009 sind die Familienpatenschaften der Schwangerenberatung dazugekommen, hier betreut ein*e Pat*in eine ganze Familie. 2015 gab es von der Stadt München den Zuschlag für die ehrenamtliche Begleitung von Familien der Frühen Hilfen und aus den drei Einzel-Projekten wurde ein gemeinsamer Fachdienst.
Beim SkF München e.V. kümmern sich inzwischen fünf Sozialpädagoginnen als Koordinatorinnen und Sie als Leitung um die knapp 100 Pat*innen. Was ist Ihre Aufgabe?
Erst einmal schauen wir, dass Pat*in und Familie beziehungsweise Kind gut zusammenpassen. Und dann sind wir Ansprechpartner*innen für beide Seiten, wenn es Fragen oder Schwierigkeiten gibt. Wir achten etwa sehr genau darauf, was Ehrenamtliche leisten können – und wo ihre Grenzen sind. In Zeiten des Fachkräftemangels sind die Familien von professioneller Seite manchmal nicht ausreichend versorgt, Ehrenamtliche können diese Lücken aber nicht füllen. Je klarer die Pat*innen in ihrer Rolle sind, desto besser können sie wirken. Ein Beispiel: Eine Patin startet mit dem Auftrag, mit den Kindern auf den Spielplatz zu gehen, damit die Mutter Zeit für sich hat, dann merkt sie, dass ganz viele Briefe ankommen, die die Mutter nicht bearbeiten kann. Mit Hilfe der Koordinatorin kann sie der Familie den Kontakt zu einer Schuldnerberatung oder Dolmetschern vermitteln oder auch die Mutter nochmal an eine Beratungsstelle anbinden.
Welche Herausforderungen birgt eine solche Patenschaft noch?
Manchmal geht es den Familien nicht so gut, wie sich die Pat*innen wünschen würden. Manche Themen kann man trotz des Engagements nicht lösen: die beengte Wohnsituation etwa oder die Erkrankung der Mutter. Manchmal geht es dann auch nur darum, das gemeinsam auszuhalten. Außerdem organisieren wir Ausflüge und Feste, bei denen alle Ehrenamtlichen, Patenkinder und auch die Familien in Kontakt kommen. Das verbindet – und entlastet alle Beteiligten. Eine weitere wichtige Aufgabe der Koordinatorinnen ist die Akquise neuer Ehrenamtlicher. Zwar haben wir 100 Pat*innen, aber noch viel mehr Familien auf der Warteliste, die sich Unterstützung wünschen.
Wie viel Zeit nimmt eine Patenschaft in Anspruch?
Unsere Pat*innen treffen ihre Patenkinder und – familien in der Regel alle ein bis zwei Wochen für ein paar Stunden. Bei einer Familienpatenschaft ist das Aufgabenfeld weiter, da geht es auch mal darum, die Mutter zum Arzt oder einer Behörde zu begleiten. Die Pat*innen sind oft für die ganze Familie im Sinne alltagspraktischer Entlastung zuständig und eine Patenschaft kann innerhalb eines Jahres bereits viel bewirken. Bei einer Kinderpatenschaft geht es um eine langfristige Bezugsperson für das Kind neben der erkrankten Mutter, dafür muss ein*e Ehrenamtliche*r sich für ein paar Jahre engagieren wollen.
Kann jede*r Pat*in werden oder was müssen die Ehrenamtlichen mitbringen?
Bei den Familien und besonders den Kindern handelt es sich um vulnerable Zielgruppen, für die es ganz wichtig ist, dass sich eine integre Persönlichkeit für sie engagiert. Wir führen deshalb viele Gespräche mit den Interessenten und gehen auch zu ihnen nach Hause. Ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis ist Standard, zudem gibt es fachliche Weiterbildungen für die Pat*innen, was eine achtsame und Grenzen wahrende Begleitung betrifft. Nach der Vermittlung ziehen wir uns nicht zurück, sondern schauen immer wieder, wie es allen Beteiligten geht. Wir verstehen uns auch als Anlaufstelle für die Beschwerden der Kinder. Wir wollen ihnen ja etwas Gutes tun - und das ist natürlich eine große Verantwortung.